Schauspielausbildung im Wandel
Weichenstellung für zukunftsfähige, praxisnahe Schauspielausbildung an der HfMDK
Was müssen Schauspieler*innen heute können? Das erfolgreiche, über Jahrzehnte tradierte Erlernen von Rollen für das Theater allein reicht nicht mehr aus. Mit den Streamingdiensten hat ein Boom an Filmproduktionen eingesetzt. Für Schauspieler*innen eröffnet sich ein riesiger Arbeitsmarkt, der aber ganz andere Produktionsbedingungen hat als die Bühne, der andere Kompetenzen von den Schauspieler*innen fordert. Es ist zukunftsweisend, dass sich Ausbildung ändert und auch im Bereich Film und Spiel vor der Kamera professionalisiert. „Im Jahr zwei des laufenden Hochschulpakts baut die HfMDK ihre Lehre weiter konsequent und praxisnah aus. Darum haben wir eine Professur für ‚Schauspielpraxis für Bühne und Film‘ eingerichtet, mit Fokus auf das Spiel vor der Kamera; sie ist eine von insgesamt neun neuen Professuren, mit denen die HfMDK ins aktuelle Wintersemester startet und ihr Profil weiter schärft. Für diese Ausbildungsergänzung konnten wir die Schauspielerin, renommierte Filmregisseurin und zweifache Grimme-Preisträgerin Brigitte Maria Bertele gewinnen. Sie vermittelt den Studierenden fundierte Kompetenzen für die Filmarbeit“, freut sich HfMDK Präsident Prof. Elmar Fulda.
Prof. Brigitte Bertele hat denn auch eine konkrete Vorstellung ihrer Arbeit an der HfMDK: „Ich sehe es als besondere Verantwortung, in Zeiten, in denen die Kultur sich Fragen nach Wert, Sinn und Relevanz gefallen lassen muss, junge Menschen darin zu begleiten, ihre eigene kreative Stimme zu finden, zu artikulieren und zu verfeinern. Mehr denn je bedarf es gegenwärtig einer Kultur, in der Menschen den Mut haben, Haltung zu zeigen und es wagen, sich ‚angreifbar‘ zu machen.“
Prof. Marion Tiedtke, Ausbildungsdirektorin für Schauspiel an der HfMDK, begrüßt ebenfalls die Profilierung ihres Ausbildungsbereiches: „Mit Brigitte Bertele erweitern wir die Ausrichtung des Schauspielstudiums in Frankfurt – das könnte ein bundesweites Ausbildungssignal sein.“
Studiojahr Schauspiel als Kooperationsmodell
Das Studium Schauspiel an der HfMDK gewinnt weiter an Profil. Studierende des dritten Jahrgangs übernehmen im Rahmen des Studiojahr Schauspiel erste Rollen am Theater und sammeln so wichtige Praxiserfahrung in einem professionellen Ensemblekontext. Erfolgreich gestartet zusammen mit dem Schauspiel Frankfurt, kommen seit diesem Semester weitere Kooperationspartner der Hessischen Theaterakademie (HTA) hinzu: das Hessische Landestheater Marburg und das Staatstheater Mainz, ab 2023/24 dann noch das Nationaltheater Mannheim. Das Studiojahr wird weiterhin großzügig unterstützt von der Crespo Foundation und der Aventis Foundation. Der starke Praxisbezug im Studiojahr befeuert unsere Studierenden und gibt ihnen einen richtigen Schub, berichtet Hochschulpräsident Prof. Elmar Fulda. „Das Studiojahr ist ein Erfolgsmodell für unsere Ausbildung. Wir begrüßen sehr herzlich die neuen Kooperationspartner.“
Neue Studienordnung ab dem Wintersemester 2023/24
Ab dem kommenden Wintersemester wird es außerdem eine neue Studien-Prüfungsordnung als vierjährigen Bachelor im Schauspiel geben Dabei werden Schwerpunkte gesetzt, die eine zukunftsweisende Ausbildung prägen sollen: Mehr Eigenarbeit, ein Studiojahr an den Theatern als drittes Ausbildungsjahr und curricular verankerte Filmarbeit und Mikrofonsprechen, so dass Absolvierende nach dem Studium an der HfMDK im Theater, aber auch im Audio- und Filmbereich arbeiten können. Die vielfältigen Berufswege der Alumni bilden das ab: Schauspielende arbeiten heute nicht mehr nur am Theater, wo die Stellen nach Corona und durch Energiekrise und Inflation immer knapper werden.
Prof. Brigitte Maria Bertele
... hat voller Spannung ihre Arbeit mit den Studierenden der HfMDK aufgenommen: „Ich freue mich auf den kreativen Raum an der HfMDK, auf den theoretischen Diskurs mit einer neuen Generation von Kunst- und Kulturschaffenden und insbesondere auf das praktische Erforschen und Erproben von klassischen, zeitgenössischen und zukunftsweisenden Spielweisen für Film und Theater“.
Nach ihrer Schauspielausbildung an der Spielstatt Ulm, dem GITIS in Moskau und dem Michael Chekhov Acting Studio NYC und anschließender mehrjähriger Bühnentätigkeit als Schauspielerin studierte Brigitte Maria Bertele Regie an der Filmakademie Ludwigsburg und der Universidad del Cine in Buenos Aires. Ihr Spielfilmdebüt „Nacht vor Augen“ feierte 2008 im Forum der Berlinale Premiere und wurde mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Seither hat sie Kino- und Fernsehfilme unterschiedlichster Genres realisiert, von Drama über True Crime und Comedy bis zu Literaturverfilmungen, Dokumentarfilmen und filmischen Essays. Ihre Arbeiten wurden auf Festivals aller Kontinente gezeigt und mit zahlreichen Preisen bedacht, u.a. dem großen Preis der Jury für die beste Regie des Festivals des Films du Monde in Montréal, dem Grimme-Preis, dem Preis der deutschen Filmkritik, dem first steps Award, dem Deutschen Kurzfilmpreis und anderen mehr. Parallel arbeitete sie als Regisseurin u.a. am Jungen Staatstheater Berlin und für freie Produktionen. 2020 entwickelte sie als Creatorin und Performerin in einem Künstlerinnenkollektiv die vom Fonds Darstellende Künste geförderte Produktion „R:AGE“.
Prof. Marion Tiedtke, Ausbildungsdirektorin Schauspiel an der HfMDK
Nach ihrem abgeschlossenen Studium der Philosophie, Germanistik und Geschichte war Marion Tiedtke freie Mitarbeiterin beim Südwestfunk und Sender Freies Berlin, ab 1989 in festen Engagements am Theater: als Dramaturgie-Assistentin an der Schaubühne in Berlin, als Dramaturgin am Schiller Theater Berlin, Bremer Theater, Bayerischen Staatsschauspiel, Wiener Burgtheater und an den Münchner Kammerspielen.
Ab 2001 unterrichtete sie zudem Stückanalyse, Theatergeschichte und Produktionsdramaturgie, zuerst an der Universität München im Studiengang Dramaturgie, dann an der Bayerischen Theaterakademie im Studiengang Regie. 2007 bis 2017 war sie Ausbildungsdirektorin für Schauspiel an der HfMDK. 2011 bis 2014 Dekanin für den Fachbereich Darstellende Kunst. 2017 bis 2020 Stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin am Schauspiel Frankfurt. 2020 nahm sie ihre Professur wieder auf und ist an der HfMDK Ausbildungsdirektorin für den Studiengang Schauspiel. Während ihrer Lehrtätigkeit war sie als Gastdramaturgin im Schauspiel am Thalia Theater und am Schauspielhaus Bochum tätig, in der Oper bei den Salzburger Festspielen, an der Nederlandse Opera Amsterdam, in London Covent Garten und der Bayerischen Staatsoper sowie in diesem Jahr an der Nationaloper Mannheim.
Als Mitglied der Akademie der Darstellenden Künste wirkte sie u.a. in Jurys wie den Gertrud-Eysoldt-Ring und den Faustpreis mit. Seit 2017 moderierte sie regelmäßig eine Redenreihe im Schauspiel Frankfurt (Denkraum) und ab 2020 am Haus am Dom Frankfurt (DenkArt. Ein partizipativer Diskursraum zu gesellschaftlichen Themen der Gegenwart).