See you, Christoph Spendel!
30 Jahre hat Prof. Christoph Spendel an der HfMDK im Fach Jazzklavier unterrichtet. Dass er sich jetzt in den Ruhestand verabschiedet? Kaum denkbar angesichts der steten Fülle von neuen Projekten, die Christoph Spendels Arbeit seit jeher prägen, schreibt Prof. Ralph Abelein in seinem Porträt.
Musik ist ihm in die Wiege gelegt: die Mutter Klavierlehrerin, mit fünf erster Unterricht. Der Onkel, Geiger im Orchester, spielte ihm eines Tages eine der damals hippen Play-Bach-Platten von Jacques Loussier vor und sogleich resonierte diese Musik ganz besonders: Motorik, Swing, Improvisation – es galt eine Welt jenseits der klassischen Musik zu entdecken.
Zum Jazz fand Christoph Spendel dann aber, wie viele, über Pop und Rock. Santana öffnete ein Fenster zur Latinmusik, der er sich später ausgiebig widmen würde. Überhaupt die 70er: Das Jahrzehnt des Jazzrock und Rockjazz, des Amalgamierens von Klassik-, Rock- und Jazzelementen (Keith Emersons Band The Nice war für ihn eine Offenbarung), avancierte Formdramaturgie statt simpler Songs, extensiver und exzessiver Einbezug von Improvisation – andauernd und überall gab es Neues zu entdecken. Inspiration war auch, von der anderen Seite kommend, das genussvoll scheuklappenlose Wildern im Rockgemüsegarten durch die damals führenden Jazzer, angeführt von Miles Davis, im Gefolge Tastenheroen wie Joe Zawinul (Weather Report), Chick Corea (Return to Forever), und natürlich Herbie Hancock mit seinen Funk-Feuerwerken.
Privat war Christoph Spendel da längst im Westen angekommen: Die Familie war nach Düsseldorf übergesiedelt, er selbst Jungstudent am damaligen Folkwang-Konservatorium in Essen. Mit 18 nahm er ein Klavierstudium am Robert- Schumann-Institut Düsseldorf auf, welches er zugunsten seiner Konzerttätigkeit vorzeitig beendete – fortan war er nahezu nonstop auf Tour: 1975-80 mit der Gruppe Jazztrack, zwischendurch mit Soloprogrammen, ab 1980 im Duo mit dem Vibrafonisten Wolfgang Schlüter und danach mit eigenen Bands (das Foto oben entstand während seiner Zeit in New York, als er Mitglied der Smooth-Jazz-Gruppe Special EFX war). Seiner ersten Soloplatte 1977 folgten rund 50 weitere Produktionen als Leader und hunderte als Sideman an Keys oder Klavier.
Der Weg an die Eschersheimer Landstraße
Die Begegnung mit Michael Sagmeister, 1978 im Frankfurter Jazzkeller, war der Beginn einer bis heute währenden Zusammenarbeit und Freundschaft. Auch pädagogisch waren die beiden ein Gespann: Durch Sagmeister, der bereits an der HfMDK unterrichte, fand 1991 auch Spendel den Weg in die Eschersheimer Landstraße, zunächst im Lehrauftrag und ab 2001 schließlich als Professor für Jazzklavier, wo er den damaligen Aufbau- und späteren Weiterbildungsstudiengang Jazz- und Popularmusik inhaltlich prägte.
Auch die Pandemie konnte seinen Output nicht bremsen, eindrucksvoll dokumentiert durch allein 25 Streamingkonzerte (siehe: www.spendel.com). Mehr als nebenbei widmet sich Christoph Spendel seit einigen Jahren der Produktion von Film- und Medienmusik, obendrein war er jahrzehntelang auch musikjournalistisch tätig.
Der Begriff des Ruhestandes mag einem bei solch mannigfacher Aktivität wahrlich nicht in den Sinn kommen – und noch lange möge es so bleiben: Auf zu neuen Projekten und Dank für 30 Jahre Lehre, Christoph Spendel!
Über den Autor
Prof. Ralph Abelein lehrt Schulpraktisches Instrumentalspiel an der HfMDK.
Das Porträt erschien ursprünglich im Hochschulteil der Ausgabe 21-2 unseres Magazins "Frankfurt in Takt".

Frankfurt in Takt 21-2: Macht - Positionen und Strukturen
Alte Machtgefälle, neue Transparenz: Mit der „Frankfurt in Takt“ beteiligen wir uns an einer Diskussion, die Theater, Orchester, Kulturbetrieb und Gesellschaft umtreibt. Was bedeutet es, heute an einer Kunsthochschule zu studieren? Wie viel Demokratie steckt im Ensemble? Im Hochschulalltag, im Unterricht und auf der Bühne sind Studierende wie Lehrende mit Formen von Macht konfrontiert – in diesem Heft kommen sie zu Wort.