Resilienz gegen Auftritts­angst

Cellist (man sieht nur die untere Hälfte seines Instruments und seine Hände), die Hand am Bogen angespannt.
(Foto: Janine Bächle)

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Ziel

Ziel

Dieses Forschungsprojekt untersucht die Effektivität des Resilienz-Trainings gegen Auftrittsangst mit und ohne Neuromodulation, die der Regulation körperlicher Reaktionen vor, während und nach dem Konzert dienen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Wissenschaftlicher Hintergrund

Akuter Stress (Vorspiel, Konzerte, Prüfungen etc.) führt zu einer Verminderung der Regulationsfähigkeit autonomer und zentraler Reaktionen. Bei mehr als 50% der Musiker*innen zeigt sich eine Erhöhung des Blutdrucks in Stresssituationen. Bei wiederkehrendem Auftreten des akuten Stresses lernt der Mensch seinen Blutdruck ungewollt und reflexhaft immer schneller zu erhöhen, bis zu dem Moment, wo schon ein Gedanke an das nahende Konzert ausreicht, um starke körperliche Reaktionen auszulösen. Hier haben sich ungewollt Assoziationen zwischen Gedanken und Blutdruckreaktion gebildet. Bleiben die stresserzeugenden Gedanken bestehen oder verstärken sie sich sogar, ist ein gesunder Wechsel von Blutdruckanstieg und -abfall nicht mehr möglich. Verantwortlich dafür sind Barorezeptoren in der Halsschlagader (Karotis sinus), die dem Stammhirn reflexmäßig Informationen schicken, wenn Veränderungen der Druckverhältnisse in der Halsschlagader nach akutem Stress entstehen. Im Stammhirn (im nucleus tractus solitarius, NTS) erfolgt die 1. basale Regulation der körperlichen Stressreaktionen, wie Regulation des Blutdrucks, des Schlafes, des Schmerzes, der Stresshormone und auch der Angst. Dieser Mechanismus ist ein Reflex und wird daher NTS-Reflexbogen genannt (1-3). Wenn sich der Blutdruck aufgrund von wiederkehrendem Stress konstant erhöht hat, bleiben die Druckveränderungen in der Halsschlagader aus und die Barorezeptoren reagieren nicht mehr. Das Stammhirn erhält keine Informationen. Die Regulation der körperlichen Stressreaktionen, des Schmerzes und der Angst ist nicht möglich (4 -6).

Mit Hilfe einer Neuromodulationsmethode, dem Barorezeptor-Training (BRT), werden elektrische Stimuli an der rechten Hand in Abhängigkeit vom Herzschlag gegeben. Wir konnten bei Patienten mit chronischem Schmerz nachweisen, dass die Sensitivität der Barorezeptoren und die Aktivierung der NTS-Reflexbögen erhöht wurden. Die Patienten wurden langfristig schmerzfrei (7).

Hypothese

Hypothese

Es wird angenommen, dass ein Resilienz-Training kombiniert mit dem Barorezeptor- Training (RT+BRT) zu einer langfristigen Reduktion der Auftrittsangst und zu mehr Resilienz führt.

Methode

Methode

Zur Prüfung der Effektivität des Resilienz-Trainings mit und ohne BaroRezeptorTraining wird ein randomisiert-kontrolliertes Studiendesign gewählt. Das Resilienz Training kombiniert mit Barorezeptor-Training (RT+BRT) wird gegen das Resilienz Training, das mit Yoga kombiniert wird (RT+Y) als Kontrollgruppe, verglichen.

Das Training besteht aus 3 Komponenten:

Stichprobe

Diese Machbarkeitsstudie ist eine Vorstudie und wird 20 Studierende der Instrumentalfächer einschließen. Die Zuweisung zur jeweiligen Gruppe erfolgt nach Randomisierung (zufällige Auswahl).

Versuchsplan / Testung:

Zur Prüfung der Effektivität werden Veränderungen von Stressverarbeitungsstrategien, Angst, Ärger, Traurigkeit und Resilienz erfasst. Im Stresstest werden körperliche Reaktionen in Entspannungs- und Stress-Situationen (Baroreflex Sensititvität, Blutdruck, Puls, Atmung, Muskelanspannung, Hautleitwert und EKG) vor, nach und 6 Monate nach dem Resilienz-Training gemessen.

Dieselben physiologischen Variablen werden während der Stimulationen innerhalb des Barorezeptor Trainings erfasst. Als subjektive Werte werden die individuellen sensorischen und Schmerzschwellen sowie die individuelle Schmerztoleranz und der Grad der subjektiven An- und Entspannung vor und nach der Stimulation registriert.

Des Weiteren werden subjektive Daten, wie der Grad der Anspannung, der Auftrittsfurcht und der Grad der Entspannung jeweils vor und nach den Konzerten erfasst.

Zeitplan

Die Vorstudie hat im September 2021 mit 10 Studierenden (Gruppe 1) begonnen. Neun von 10 Studierenden beendeten das Training im Januar 2022. Die 2.Gruppe mit 10 Studierenden startet im April 2022 und endet im Juli 2022. Die letzten follow-up Untersuchungen, 6 Monate nach dem Training erfolgen im Januar 2023.

Erste Ergebnisse

Erste Ergebnisse

Die 10 Studierenden studieren in den Fächern: Barockcello, Cello, Klassische Gitarre, Klarinette, Querflöte, Piano, Violine. Im Bachelorstudium studieren 2 und im Masterstudium 8 Studierende. Davon studierenden 7 im KIA, 2 im IP und 1 HIP. Das Alter der Studierenden liegt zwischen 21 und 31 Jahren. Die Drop-out rate (N=1) ausschließlich in der Kontrollgruppe ist mit 10% als sehr gering einzuschätzen.

Körperliche Reaktionen auf Stress

Alle Studierenden führten vor und nach dem Training den Stress-Test durch, in dem sich nach einer Baseline-Phase Entspannungs- mit 2 Stressphasen abwechseln. Stressoren sind ‚Kopfrechnen‘ und ‚Gedanken an ein bevorstehendes Konzert‘ für je 5 Minuten. Es werden der Hautleitwert, Blutdruck, Puls, BRS, EKG, Atmung, und Muskelanspannung (EMG) erfasst sowie die subjektive Bewertung von Anspannung und Entspannung nach jeder Phase.

Beide Gruppen zeigten nach dem Resilienz-Training eine reduzierte Stressreaktion im Vergleich zu vor dem Training (Hautleitwert, EMG und gleichmäßigere Atmung). Die Studierenden der Gruppe RT+BRT wiesen in der Stressphase „Gedanken an ein bevorstehendes Konzert“ eine signifikante Reduktion des Hautleitwertes auf (p = 0.001) als Maß für akuten Stress und berichteten eine signifikant höhere Entspannung als die Kontrollgruppe.

Baroreflex Sensititvität und Toleranz im BarorezeptorTraining (BRT)

Die Studierenden der Gruppe RT+BRT nahm im Mittel an 8 Stimulationssitzungen teil. Im Vergleich zur 1. Stimulationssitzung erhöht sich signifikant die BaroreflexSensititvität um 61% (p=0.018) und signifikant die Toleranzschwelle um 90% (p=0.001).

Ergebnisse aus den Konzerten

Verteilung der 29 Konzerte in beiden Gruppen. Die Studierenden der Gruppe, die das Resilienz Training kombiniert mit Barorezeptor Training (RT+BRT) erhalten hatte, gaben innerhalb von 4 Wochen mehr Konzerte (58.5%, N=17) als die Studierenden der Kontrollgruppe (41.5%, N=12).

Subjektive Einschätzungen der Angst, Anspannung und Entspannung vor und nach Konzerten

Die verminderte körperliche Stressreaktion verbunden mit höherer Entspannungsfähigkeit, die erhöhte Baroreflex Sensitivität und höhere Toleranz ist verbunden mit dem Abbau der Auftrittsangst: Die Studierenden der Gruppe RT+BRT berichteten, dass sich ihre Auftrittsangst nach 3 Konzerten signifikant reduzierte (p=0.037) im Unterschied zur Kontrollgruppe.

Zugleich berichteten die Studierenden der RT+BRT Gruppe nach jedem Konzert eine signifikant höhere Entspannung (p < 0.018) im Unterschied zur Kontrollgruppe (RT+Y), die keine signifikante Erhöhung der Entspannung nach den Konzerten berichteten.

Die Studierenden der Kontrollgruppe berichtete, dass sich die Anspannung signifikant vom 1 zum 3. Konzert (P=0.034) reduzierte im Unterschied zu den Studierenden der Gruppe RT+BRT, die interessanterweise keine signifikante Reduktion der Anspannung berichteten.

Wir sehen in diesen Daten erste Hinweise, dass die Stimulation des Barorezeptor Trainings zu einer Reduktion des körperlichen Stresses in hohen Belastungssituationen führt, zur mentalen Stressreduktion in den Gedanken, Gefühlen und im Verhalten und damit eine höhere Resilienz ermöglicht. Es handelt sich hier um erste Ergebnisse, die durch weitere Daten erweitert werden müssen.

Resilienz gegen Auftrittsangst

Zwischenbericht inkl. Literaturhinweise

Fragen und Kontakt

Fragen und Kontakt

Die Studie ist ein Kooperationsprojekt der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt und dem Institut für Medizinische Psychologie des Fachbereiches Medizin an der Philipps-Universität Marburg.

Für Rückfragen stehen wir gern zu Ihrer Verfügung.

  • Prof. Christopher Brandt (HfMDK)
  • Prof. Dr. Kati Thieme (Philipps-Universität Marburg)