Response Archiv
Response 2021 / 2022
Thema: KLANG(T)RAUM
Programmheft der Response-Abschlusskonzerte 2022
Der Klang, der sich träumend in Räumen bewegt, scheint ein überaus romantisches Bild zu sein, dessen Teilen das Nicht-Greifbare gemeinsam ist. Instinktiv verorten wir solche Tendenzen des Romantischen im 19. Jahrhundert. Bei genauer Betrachtung wird das Thema von Response 2021/22 allerdings sehr gegenwärtig, denn viele Ausprägungen neuerer und neuester Musik beziehen für ihr Entstehen Methoden mit ein, bei denen die wache und geistige Formung nicht unbedingt im Vordergrund steht. Vielleicht zeigen sich damit auch sehr romantische Ausprägungen in unserer Zeit.
Können wir Klänge träumen – wie Sprache?
Somit können auch neue Fragen an Musik gestellt werden, wie zum Beispiel, ob Musik so entstehen kann wie Träume, ob sie also ohne Planung das uns überkommende Ergebnis von Erlebtem, von Sehnsüchten und Wünschen sein kann? Oder ob wir Klänge, so wie Sprache, auch träumen können? Vielleicht auch was mit einem Klang passiert, wenn wir ihn nicht als Ereignis im Raum erleben, sondern als Raum selbst, um dann gleichsam in ihn hineinzusteigen um uns in ihm zu bewegen?
In der Musik des 20. Jahrhunderts finden sich solche Ansätze signifikant bei John Cage wieder. Die Selbstverständlichkeit einer akustischen Umgebung wird zur Grundlage für das Finden und Erfinden eigener Musik.
Das Referenzwerk: John Cages „Imaginary Landscape I“ (1939)
So soll das gewählte Referenzwerk „Imaginary Landscape I“ den Schülerinnen und Schülern im Team mit den Profis den Weg zum geträumten Klang und zum Erfahren unserer Umgebungen als Hörraum ermöglichen.
Für John Cage stand immer der Moment des Entstehens im Fokus, des nicht intendierten Belauschens von dem, was wie zufällig als Abbild einer Welt entsteht, die sich jenseits von Traum und Wirklichkeit bewegt und damit unserem Hörhorizont eine enorme Freiheit verleiht.
KLANG(T)RAUM als Thema von Response 2021/22 will genau dies: den Gestaltungshorizont der Schülerinnen und Schüler aus den tradierten Mustern befreien.
Response 2019 / 2020
Thema: "Naturklänge - Klänge der Natur"
Response-Heft 2020
Referenzwerke:
- Luciano Berio: „Luftklavier" (1985)
- Toru Takemitsu: „Rain Tree" für drei Schlagzeuger (1991)
Natur umgibt den Menschen als ein Bereich, dessen Veränderungen im besten Falle sich selbst überlassen bleiben. Dadurch wird Natur zu einem Sehnsuchtsort, der es erlaubt, sich den strengen Normen von Gesellschaften in gewisser Weise zu entziehen. Die Natur folgt ihren eigenen Regeln, sie bildet das Werden, das Vergehen und das erneute Werden als immerwährenden Zyklus der Jahreszeiten ab.
Natur schärft unsere Sinne: sie hat spezifische Gerüche, anhand derer wir ihren Zustand und ihre Stadien innerhalb des Zyklus erkennen können, gleiches gilt für ihre Farben und für die Klänge, die sie erzeugt: die Klänge der Natur. So kann beispielsweise der Wind, der durch Wälder, über Felder oder andere freie Flächen zieht, ganz verschiedene Bedeutungen hörbar machen, die sich zwischen Entspannung und drohender Gefahr bewegen.
Schon lange werden Komponisten durch Naturphänomene inspiriert und versuchen, die besonderen Klänge der Natur als Naturklang mit ihren Mitteln nachzuahmen. So zeichnet Antonio Vivaldi mit seinen „Vier Jahreszeiten“ Naturzustände als lautmalerische Stimmungsbilder nach, Ludwig van Beethoven nähert sich in seiner 6. Sinfonie einer bestimmten Szenenfolge aus der Natur und liefert uns damit eine Art Ohrenkino. Viele weitere Werke ließen sich nennen, manche von ihnen scheinen der Natur abgelauscht zu sein, andere verklären Natur im Sinne eines Urzustandes, der uns einfach so sein lässt, wie wir sind.
Die beiden Referenzwerke stehen zwischen diesen Polen. Während Toru Takemitsus „Rain Tree“ eher ein Stimmungsbild repräsentiert, in dem fast natürlich wirkende langsame Prozesse der Veränderung im Mittelpunkt stehen, greift Luciano Berio in seinem „Luftklavier“ den von der Luftbewegung abgelauschten Gestus verschiedener Dichten, Geschwindigkeiten und Überlagerungen auf und sucht nach Möglichkeiten, dies auf dem Klavier abzubilden.
„Naturklänge – Klänge der Natur“ als Thema von Response 2019/20 bietet ein breites Spektrum vom erforschenden Belauschen der Naturklänge bis zum hörbaren Ergebnis als dem Nachbilden der Klänge der Natur.
Ernst August Klötzke
Response 2017 / 2018
Thema: "Wenn Sprache zu Musik wird"
Response-Heft 2018
Referenzwerke:
- Péter Eötvös: „Two Poems to Polly“ für einen sprechenden Cellisten (1998)
- Georges Aperghis: „Récitations“ für eine Frauenstimme (1978)
Die Sprache kann als zentrales Medium der Kommunikation zwischen Menschen gelten. Was sich über Sprache transportiert, geht jedoch weit über die semantisch geprägten Inhalte hinaus. Klang, Rhythmus, Geste, Melodie und Dynamik von gesprochener Sprache vermitteln in hohem Maße vielfältige und differenzierte Qualitäten von Emotionen, Befindlichkeiten und Haltungen des Sprechenden und erzeugen beim Hörenden eine ebenso komplexe Vielfalt von Reaktionen!
Hier nähert sich Sprache in ihrer Wirkungsweise dem Musikalischen an!
Zumal, wenn die semantische Ebene nicht zugänglich ist wie etwa bei einer unbekannten Fremdsprache, wird sie musikalisch gehört: nicht als Träger konkreter Bedeutungen sondern vielmehr als Medium verdichteter atmosphärischer Inhalte.
Die Musikgeschichte ist durchsetzt von unterschiedlichsten Beispielen dafür, welche Ergebnisse die Wechselwirkung zwischen Musik und Sprache hervorbringen kann. Von der musikalisierten Sprachrezitation über die Vertonung von Texten als Lied, Song, Rap, Oper, Oratorium etc. bis hin zur Annahme eines imaginären Textes etwa in den „Liedern ohne Worte“ oder die Inspiration instrumentaler Musik durch die Gestik von konkreter Sprache findet sich ein großes Spektrum von Möglichkeiten.
Im 20. Jahrhundert lässt sich eine intensive Beschäftigung mit Sprache als Inspirationsquelle für unterschiedlichste Musik beobachten. Alles was Sprache und ihre Verlebendigung durch die menschliche Stimme an Qualitäten jenseits der semantischen Ebene ausmacht, beflügelt die künstlerische Phantasie und wird zum Material musikalischer Gestaltung. Die beiden Referenzwerke verdeutlichen solche Tendenzen auf ganz unterschiedliche Weise. Peter Eötvös verbindet gesprochene Sprache mit einer instrumentalen, musikalischen Ebene zu einem untrennbaren Ganzen – zumal in der Personalunion von Rezitator und Instrumentalist – und verstärkt dadurch die ohnehin schon im Gedicht tendenziell angelegten musikalischen Qualitäten.
Georges Aperghis lässt in seinen „Récitations“ Sprache durch die musikalische Art und Weise ihrer Verarbeitung allmählich zum rein musikalischen Material mutieren, ohne dass dabei ein Rest der spezifischen Qualität von Sprachlichkeit ganz verloren ginge. Dies sind nur zwei Beispiele für die inspirierende Wirkung, die sich im Spannungsfeld von Sprache und Musik entfalten kann und immer wieder zu spannenden und originellen Ergebnissen führt.
„Wenn Sprache zu Musik wird“ als Thema von Response 2017/18 bot allen Beteiligten ein weites Feld von Möglichkeiten, auf dem sich jeder mit seiner spezifischen, individuellen Phantasie und Kreativität auf die Suche begeben konnte.
Gerhard Müller-Hornbach
Response 2015 / 2016
Thema: "Was sehe ich, wenn ich höre? - Was höre ich, wenn ich sehe?"
Programmheft: Response 2016
Referenzwerke:
- Olivier Messiaen „Quatuor pour la Fin du Temps“ für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier (1949/41)
- Gerhard Müller-Hornbach „D.D.“ – 11 Skizzen (musikalische Comics) für Stimme und Violoncello (2005)
Response 2015/16 thematisierte das Verhältnis von Hören und Sehen. Im Zusammenspiel von auditiver und visueller Wahrnehmung hat sich eine große Vielfalt von künstlerischen Formen und ästhetischen Konzepten entwickelt und gerade die zeitgenössische Kunstszene ist diesbezüglich in ständiger Bewegung. Insbesondere ging es um die Wechselbeziehung von Musik und einer – wie auch immer gearteten – visuellen Ebene.
Naheliegend waren alle Spielarten des Musiktheaters, des Tanzes und selbstverständlich der Film in seinen unterschiedlichen Ausformungen, von denen kaum eine ohne eine musikalische Komponente auskommt. In diesen Fällen sind auditive und visuelle Ebene in gleichem Maße präsent, wirken gleichzeitig auf den Rezipienten ein und verbinden sich zu einer komplexen Wahrnehmung und schließlich zu einer spezifischen Erlebnisqualität. Die Vielfalt der möglichen Wechselwirkungen ist extrem groß; sie reicht von Parallelität und Verdopplung über kontrapunktische Konzepte bis hin zu Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit.
Eine andere Möglichkeit war, dass nur eine Wahrnehmungsebene – Hören oder Sehen – aktuell angesprochen wird und die andere quasi imaginär mitschwingt oder im Hintergrund wirksam wird. Hierher gehört Musik, die durch visuelle Erfahrungen inspiriert wurde oder solche, die visuelle Assoziationen auslöst. In der Komposition „D.D.“ von Gerhard Müller-Hornbach beispielsweise werden kleine Szenen in comicartiger Überzeichnung rein akustisch dargestellt. Visuelle Imaginationen werden – auch mithilfe der ambivalenten Überschriften – nahegelegt und zugleich in der Mehrdeutigkeit gehalten; welcher Film im Innern jeden Hörers abläuft, bleibt seiner Phantasie vorbehalten.
Bei Olivier Messiaens „Quatuor pour la Fin du Temps“ gibt es mehrere Beziehungen zwischen der Musik und unterschiedlichen visuellen Ebenen. Zunächst sind es die kraftvollen Bilder, die der Komponist aus den Worten der Offenbarung des Johannes imaginiert und die ihn zur Komposition inspirieren. Diese Vorstellungen und Visionen möchte er über seine Musik vermitteln und vor dem inneren Auge des Hörers entstehen lassen. Darüber hinaus ist es jedoch eine ganz besondere, innige Verbindung von Hören und Sehen, die für den Synästhetiker Messiaen eine zentrale Qualität seines Komponierens ausmacht: jeder Klang entspricht für ihn einer charakteristischen Farbe, die sich bei dessen Hören einstellt und im Innern als Teil der Wahrnehmung erlebt wird.
In dem oben angerissenen Spannungsfeld fanden sich viele Möglichkeiten, mit einer Response-Arbeit anzudocken und eigene Fragestellungen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.