Sein musikalisches Talent zeigte sich früh, zeitlebens litt er jedoch unter dem Erwartungsdruck, der mit seinem Familiennamen verbunden war: Walther von Goethe. Am heutigen Abend widmen sich Lied-Duos der Weimarer, Grazer und Frankfurter Musikhochschulen dem Lebenswerk des ältesten Enkels Johann Wolfgang von Goethes. In einem von Ulf Bästlein moderierten Gesprächskonzert wird ein Portrait des feinsinnigen Komponisten, Literaten, Musikkritikers, Nachlassverwalters und Kulturpolitikers Walther von Goethe gezeichnet. Besonders sein kompositorisches Werk, in dessen Zentrum das Lied bzw. die musikalische Ballade steht, bedarf einer Neubewertung.
Dieses Gesprächskonzert gehört zu den ersten Veranstaltungen eines künstlerisch-wissenschaftlichen ‚Walther-von-Goethe-Forschungsprojektes‘, das Ulf Bästlein in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar, dem Freien Deutschen Hochstift Frankfurt, der Kunstuniversität Graz, der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, dem Goethe-Museum Düsseldorf und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften initiiert hat.
Walther von Goethe:
Als Sohn von Ottilie und August von Goethe wurde Walther in ein ungewöhnliches familiäres Umfeld hineingeboren, das besondere Entfaltungsmöglichkeiten bot. Felix Mendelssohn-Bartholdy und Carl Loewe gaben ihm Kompositionsunterricht, Robert Schumann wurde sein Freund. Früh jedoch zweifelte Walther von Goethe daran, ob er mit dem Komponieren tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Die übergroßen Ansprüche, die man an einen Künstler seines Namens stellte, erdrückten ihn geradezu. Als Komponist zog er sich bald aus der Öffentlichkeit zurück, verbat sich gar Aufführungen seiner Werke, schrieb aber insgeheim noch bis wenige Monate vor seinem Tod Lieder, Balladen und Melodrame. Seine Rezensionen, Essays und sozialkritischen Novellen veröffentlichte Walther von Goethe unter Pseudonym. Seit 1853 diente er seinem Jugendfreund Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach als loyaler und doch innerlich unabhängiger kulturpolitischer Berater. Dass Weimar als Stadt einer bedeutenden Epoche der Geistes- und Kulturgeschichte lebendig blieb, ist wesentlich sein Verdienst. Walther von Goethe hatte als ‚letzter Goethe‘ testamentarisch verfügt, dass sein Haus am Frauenplan mitsamt den Sammlungen dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach und der handschriftliche Nachlass der Großherzogin Sophie vererbt wurde.