Prof. Stefan Viegelahn im Interview
Stefan Viegelahn unterrichtet seit 2015 an der HfMDK und wurde 2016 zum Professor für Orgelimprovisation und Orgelliteraturspiel ernannt. Er ist zudem Ausbildungsdirektor der Kirchenmusik. Im Interview mit den Kirchenmusik-Studentinnen Charlotte Vitek und Sonja Karl erzählt er über sich, seine Begeisterung für die Kirchenmusik und gibt Tipps für Bewerber*innen.
Wie bist du zum Orgelspielen gekommen?
Ich habe ziemlich früh mit Klavierspielen angefangen. In meinem Heimatdorf Gomfritz bei Schlüchtern gab es Gottesdienste nur ungefähr einmal im Monat. Bei diesem Anlass wurde ein Harmonium gespielt, das in der Ecke des Dorfgemeinschaftshauses stand. Die mit Knien zu bedienenden Oktavkoppeln, dazu der volle, inbrünstige Gesang der kleinen Gemeinde zu "Wir pflügen und wir streuen" an Erntedank - das war wirklich ein toller Einstieg! Ziemlich bald darauf habe ich Orgelunterricht genommen, zunächst bei Bezirkskantor Christian Hoffmann und dann bei KMD Gunther Martin Göttsche. Sehr viele Jahre lang habe ich in der Kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte Schlüchtern C-Kurse besucht. Heute freut es mich zu sehen, dass dieser Weg zur hauptberuflichen Kirchenmusik über die KMF von vielen auch unserer Studierenden gegangen wird. Später bin ich zu Prof. Martin Lücker nach Frankfurt gewechselt und war dort einige Zeit Jungstudent an unserer Hochschule.
Was ist dir wichtig als Orgelprofessor und als Leiter des Ausbildungsbereichs Kirchenmusik?
In meiner Anfangszeit war es mir wichtig, den Ausbildungsbereich etwas aus der Nische heraus zu holen, sowohl innerhalb unserer Hochschule als auch mit Verbindungen in die Stadt und Kirchen hinein. Es scheint mir, dass uns das nach einigen Jahren gelungen ist, wir sind jetzt in viele Richtungen gut vernetzt. Mein Schwerpunkt im Unterricht ist die Orgelimprovisation und hier finde ich es spannend, mit den Studierenden ganz individuell an grundlegenden Aspekten von Musik arbeiten zu können. Das Lernen dessen, was eine gute Improvisation ausmacht, kommt den Studierenden später auch in ganz anderen Bereichen des Musizierens zugute.
Welche*r Komponist*in und/oder welches Werk inspiriert dich (in deinen Improvisationen)?
Es gibt tatsächlich einige Werke, die so etwas wie Lieblingsstücke geworden sind - ein echtes Gegenüber im Leben und eine Kraftquelle. Auch nach Jahrzehnten entdecke ich beim Spielen jedes Mal neue Facetten und habe gleichzeitig das Gefühl, "heiligen Boden" zu betreten. Bei Bachs Passacaglia BWV 582 ist das zum Beispiel so. In Buxtehudes "Klaglied" kann ich Mal um Mal versinken, auch gegen Brahms'sche Klavier- und Vokalmusik bin ich machtlos. Beim Improvisieren wissen meine Hände sehr genau, welche Musik sie in der Vergangenheit mit Liebe und Sorgfalt geübt haben. Dies hört man durchaus in den Improvisationen heraus, ist aber überhaupt nicht auf bestimmte Stile begrenzt.
Was machst du, wenn du nicht Orgel spielst?
Als Vater von drei Kindern ist man auf wunderbare Weise in sämtliche Bereiche des Lebens eingespannt, es gibt keine Langeweile. Ich laufe auch gerne viel und regelmäßig und genieße die Natur. Musik ist sehr oft im Kopf mit dabei.
Was ist das Schönste am Berufsbild Kirchenmusik?
Mich hat immer begeistert, Teil einer Jahrhunderte alten Tradition eines Berufsstands zu sein. Singen und Musizieren in architektonisch bedeutenden, gemeinschaftlichen, ja "heiligen" Räumen hat bis heute wenig von seiner Faszination verloren. Deshalb gibt es ja in unserer Kultur so viele Menschen, die - manchmal trotz ablehnender Haltung den Kirchen gegenüber - in unseren Chören singen und in unsere Konzerte kommen. Ich persönlich habe in der Kirchenmusik etwas sehr Prägendes erlebt, was nur in diesem Kontext erfahrbar war und durch anderes nicht ersetzt werden kann. Diesen Schatz weiterzugeben, etwa im Jugendchor, ist etwas Wunderschönes. Dass Kirchenmusik einer der wenigen wirklichen musikalischen "Brotberufe" ist, in denen man eine feste Anstellung zu guten Bedingungen erwarten kann, ist ein schöner Nebeneffekt. Ich freue mich sehr darüber, dass unsere Absolvent*innen meist direkt aus dem Studium heraus ihre ersten Vollzeitstellen antreten.
Was schätzt du an unserem Ausbildungsbereich?
Es gibt ein gutes und offenes Miteinander, sowohl bei den Studierenden als auch im Team der Kolleg*innen. An unserer großen Hochschule und in der faszinierenden Stadt Frankfurt ist ein inspiriertes Arbeiten möglich.
Hast du Tipps für die Bewerber*innen?
Manche Bewerber*innen nehmen zu uns Kontakt auf, spielen am Instrument vor oder hospitieren vor der Eignungsprüfung im Unterricht, das ist sicher nicht schlecht, um sich gegenseitig ein wenig kennenzulernen und etwaige Fragen zu klären. Ansonsten sind wir sehr gespannt auf die neuen Bewerber*innen!