Räume musikalisch gestalten, verborgene Geschichten enthüllen

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Kuratieren und Konzertdesign – mit diesem Schwerpunkt wurde die Workshop-Reihe „Kuratieren in den Künsten“ im Sommersemester 2024 unter der Leitung von Folkert Uhde fortgesetzt. In drei aufbauenden Sitzungen in Frankfurt hat eine Gruppe von insgesamt neun Studierenden aus unterschiedlichen Studiengängen (Künstlerische Ausbildung Musik, Kammermusik, Theater- und Orchestermanagement) eine Konzert-Performance für das Rathaus in Bitterfeld-Wolfen konzipiert. Der geführte, performative Rundgang erweckt die Geschichte des Gebäudes 041 mit musikalischen und theatralen Mitteln zum Leben.

Sieben Teilnehmer*innen des Workshops – Jinok Lee, Elvira Streva, Anouk Krüger, Vasilina Yfanti, Jennifer Nicolai, Jeanne Degos und Simon Napp – laden das Publikum zu einer musikalischen Raumerkundung im historisch aufgeladenen Rathaus ein: beim OSTEN-Festivals in Bitterfeld-Wolfen, Sachsen-Anhalt. Die Performance „Gebäude 041 – eine Musikalische Raumerkundung im Rathaus“ findet am 15. Juni 2024 um 20 Uhr und 21.30 Uhr sowie am 16. Juni 2024 um 14.30 Uhr statt.

Gebäude 041 – eine Musikalische Raumerkundung im Rathaus

Das Konzept

Die Konzert-Performance beschäftigt sich mit der vielschichtigen Vergangenheit des Gebäudes und führt die Besucher*innen auf ungewohnten Wegen durch die Innenräume. Im Empfangsraum des heutigen Rathauses startet die Performance mit einem bekannten Kinderlied der ehemaligen DDR, das die fleißige Fabrikarbeiterin und Mutter idealisiert. Irgendwann kippt das heitere Stück und mündet über freie Improvisation und Videoprojektion eines südkoreanischen Fabrikarbeiterinnen-Liedes in einer subtilen Systemkritik. Erstmalig dringt hier die verborgene Geschichte des Hauses durch: eine Geschichte von Zwangsarbeiterinnen, die bis in die NS-Zeit zurückreicht.

Verborgen ist auch das Untergeschoss, in dem die Elite einen Schutzbunker hatte. Hier wird ein barockes Stück mit Oboe, Blockflöte und Cello gespielt. Unterschwellig lockt ein Marsch rhythmischer Schreibmaschinenklänge die Besucher*innen nach oben durch das Gebäude. Mystisch und leicht kontrastiert hier ein Flötensolo das eben Gehörte und geht über in ein Stück für Toy Piano und Elektronik.

Gegensätze und bizarre Echos sowie die marschartigen Klänge gipfeln im letzten Stück und oberen Stockwerk. Dort verschmelzen Macht und drängende Klänge in einem Stück, das auf Schreibmaschinen gespielt und performativ in Szene gesetzt wird – in Gedenken an die Opfer, die hier endlich einen Namen bekommen und die Ambiguitäten des Ortes enthüllen.

Vier Studierende sitzen in einer Probe in einem Halbkreis mit einer Schreibmaschine, einem Cello und einem Laptop. Sie lachen. Im Vordergrund setzt ein Mini-Klavier auf einem Flügel.
In einer Probe des Workshops(Foto: Teilnehmende Studierende des Workshops)
Vier Studierende sitzen in einer Probe in einem Halbkreis mit einer Schreibmaschine, einem Cello und einem Laptop. Sie lachen. Im Vordergrund setzt ein Mini-Klavier auf einem Flügel.

Folkert Uhde

Folkert Uhde hat für seine künstlerische Arbeit den Begriff „Konzertdesign“ entwickelt und im Diskurs über neue Konzertformate Klassischer Musik etabliert. Zurzeit ist er Intendant der Köthener Bachfesttage und gemeinsam mit Hans-Joachim Gögl Erfinder und künstlerischer Leiter der Montforter Zwischentöne in Feldkirch/Vorarlberg. Freie künstlerische Projekte mit unterschiedlichsten Partner*innen sind international präsent. Neben der künstlerisch-konzeptionellen Arbeit ist in den letzten Jahren auch das Thema Regionalentwicklung durch Kultur immer wichtiger geworden. Außerdem unterrichtet Folkert Uhde an verschiedenen Hochschulen und Universitäten. 2009 wurde er für seinen innovativen Ansatz im Zusammenhang mit dem Berliner Radialsystem zum „Kulturmanager des Jahres“ gewählt. Gemeinsam mit Jochen Sandig ist er Gründer des Radialsystems und bis heute Gesellschafter. Vorher betrieb er u.a. eine Konzertagentur, arbeitete als Projektmanager, Barockgeiger und Techniker.

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