Rückblick: Studienfahrt nach England

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Nach der gelungenen Orgelstudienfahrt im letzten Jahr nach Straßburg, stand Mitte April nun eine größere Studienfahrt für den Ausbildungsbereich Kirchenmusik an: Es ging nach England; genauer gesagt nach London, mit Tagesausflügen nach Cambridge und Oxford. Da England neben seinen Orgeln auch für eine große (Knaben-)Chortradition bekannt ist und anglikanische Kirchenmusik auf dem Zusammenspiel von Chor und Orgel beruht, wurde die Studienfahrt auf eine Chor- und Orgelstudienfahrt ausgeweitet. So nahm neben den Kirchenmusikstudierenden auch die Chorleitungsklasse teil, ebenso wie einzelne Schulmusikstudierende, die im StudioChor mitsingen.

Über die Erlebnisse dieser sehr gelungenen Woche berichten folgend verschiedene Studierende. Zudem sind auf der Instagram- und Facebook-Seite des Ausbildungsbereichs auch noch Foto- und Videoeindrücke zu finden. 

Vorab: Workshop zur englischen Orgelmusik

Wenige Tage vor der Abreise kam Prof. Henry Fairs (UdK Berlin) für einen eintägigen Kurs zu uns nach Frankfurt. Fairs, der als Experte für englische Orgelmusik gilt, begann mit einem Vortrag über die Geschichte der Orgellandschaft Englands und dazugehörige Kompositionen. In der zweiten Tageshälfte wechselten wir auf die Orgelempore der kath. Kirche Mutter vom Guten Rat in Niederrad und hatten alle die Gelegenheit, mit Prof. Fairs an Werken englischer Komponisten zu arbeiten. 

Durch das neuerworbene Wissen und die gute Einstimmung auf die Reise wurde die Vorfreude auf die Studienfahrt noch größer.

Montag: Anreise

Die Studienreise nach England begann am 15. April morgens. Gegen halb acht rollte der Bus mit 23 Studierenden und den vier Professoren Lukas Euler, Florian Lohmann, Stefan Viegelahn und Carsten Wiebusch los. Nach etwa zwei Stunden übernahm Mathias, unser Busfahrer für diese Reise, gemeinsam mit seiner Frau Diana den Bus von seinem Kollegen. Mathias, ein gemütlicher und redseliger Hesse, navigierte uns nicht nur sicher, sondern auch äußerst unterhaltsam.

Unsere Fahrt führte uns über Belgien weiter nach Calais (Frankreich), von wo aus wir mit der Fähre nach Dover übersetzen wollten. Aufgrund der langen Wartezeit von mindestens sechs Stunden in Calais fuhr Mathias uns kurzerhand nach Dünkirchen, wo wir bereits um 18 Uhr eine Fähre bekamen. An Bord der Fähre wartete auf alle Reisenden ein Abendessen und viel Wind an Deck bei leichtem Seegang – aber auch ein schöner Sonnenuntergang.

Von Dover aus brachte uns unser Busfahrer zügig nach London: Um etwa 22.30 Uhr erreichten wir das Hotel im südöstlichen London.
 

Sonnenuntergang über Meer
(Foto: privat)

Dienstag: Chorprobe, London erkunden und Temple Church

Der zweite Tag der Englandreise begann für alle mit einem typisch englischen Frühstück im Hotel. Anschließend probten wir mit unserer Reisegruppe für den Evensong am Mittwoch, bevor es individuell mit dem Zug in die Innenstadt von London ging und jeder die Stadt auf eigene Faust erkunden konnte. Neben dem Besuch der klassischen touristischen Ziele, wie dem Buckingham Palace und der City of Westminster, stand bei manchen auch der Bahnhof Kings Cross auf dem Programm oder die British Library, in der Manuskripte berühmter englischer Musiker*innen ausgestellt sind.

Am Nachmittag bekamen wir eine kurze Führung durch den Royal Court of Justice, bevor wir uns mit dem Organisten der Temple Church trafen, der uns das dortige Instrument (Harrison & Harrison, 1924) vorstellte. Anschließend konnten wir diese wunderschöne englisch-romantische Orgel (vier Manuale, 66 Register) selbst ausprobieren, bevor wir den Abend individuell ausklingen ließen.

Mittwoch: Evensong in Oxford

Am Mittwoch machten wir unseren ersten Tagesausflug aus London heraus, nach Oxford.

Dort holte uns Elizabeth Vineall vom Bus ab – eine befreundete Sängerin, die selbst in Oxford studiert hat. Zunächst führte sie uns in Richtung des Magdalen College und der Exeter Chapel, wo wir uns in zwei Gruppen aufteilten und die bemerkenswerten Orgeln (Walker & Son 1994 und Eule 2023) selbstspielend kennenlernen durften. Alle, die noch mehr über das Leben an der Universität in Oxford erfahren wollten, gingen mit Elizabeth einen Rundgang durch das ausladende Gelände mit den wunderschönen Kreuzgängen und den herrschaftlich anmutenden Wohngebäuden des Magdalen Colleges.

Nachdem wir die Orgeln ausprobiert hatten, traf sich die Gruppe im „The Covered Market”, wo es einiges an Speisen aus aller Welt gab. Der Markt ist auch bei einheimischen Studierenden sehr beliebt, was man an der belebten Atmosphäre erkennen konnte. Nach dem stärkenden Essen erhielt die gesamte Gruppe eine Stadtführung von Elizabeth, die sowohl historisch interessante Fakten und Geschichten parat hielt, als auch Orte, die heute noch rege genutzt und aufgesucht werden, zeigte. 

Am späten Nachmittag gingen wir dann in die Christ Church Cathedral und probten gemeinsam mit den Christ Church Cathedral Singers für den anstehenden Evensong, in dem wir mitwirken durften. Einige Studierende durften in besonderem Maße als Organist, Dirigent oder Solistinnen mitwirken und alle sangen im Chor mit. Es war eine wunderbare Erfahrung, Teil dieser jahrhundertealten Tradition zu sein und im beeindruckenden Gebäude der Christ Church Cathedral singen zu dürfen. Nach Beendigung des Evensongs bedankten wir uns, verabschiedeten uns vom dortigen Chor und fuhren mit dem Bus zurück nach London.
 

Donnerstag: Cambridge und BBC

Der Donnerstag begann mit einem öffentlichkeitswirksamen Ständchen im Hotel, denn wir feierten den Geburtstag eines Kommilitonen. Anschließend teilten wir uns in zwei Gruppen.

Die eine Hälfte startete in eine Exkursion nach Cambridge. Dort angekommen ging es direkt zu der ersten Besichtigung des Tages in die „Our Lady of the Assumption and the English Martyrs Church”: Die Orgel, welche im Jahr 1890 von der Firma Abbott und Smith in Abstimmung mit Charles Stanford gebaut und im Jahre 2002 renoviert wurde, wurde uns von dem hiesigen Kirchenmusiker vorgestellt. Die Klanglichkeit der Orgel lässt es zu, das gesamte Repertoire an britischer Orgelromantik an diesem Instrument zu spielen und ermöglicht darüber hinaus auch die Interpretation von deutscher Orgelromantik, wie beispielsweise Werke von Brahms und Rheinberger. 

Nach einer Mittagspause wurden wir kurz und knapp in der Kapelle des Selwyn College begrüßt. Die dort stehende Orgel von „Létourneau Ltée”, gebaut 2004, wurde von der Organistin als Universal-Orgel mit sehr französischen Einflüssen beschrieben. Die Orgel ermöglichte die Interpretation von Bach bis hin zur französischen Orgelromantik von Vierne. 

Die letzte Orgel und zugleich das Highlight des Tages war die Metzler-Orgel des Trinity College. Die dreimanualige Orgel, welche ursprünglich aus der Werkstatt von Bernhardt „Father Smith“ Schmidt stammt, wurde 1976 von Metzler in der heutigen Form gebaut. Zwei Stunden lang konnten die Studierenden das Instrument selbst spielen und so erklangen dort Kompositionen von Byrd, Purcell, Buxtehude und Improvisation. Die Orgel faszinierte durch ihre charakteristischen Solostimmen, Brillanz und der Entfaltung ihres Klanges im Raum.

Die zweite Gruppe blieb in London und durfte in den BBC Maida Vale Studios bei einem Probentag der BBC Singers unter der Leitung von Graham Ross, Leiter des Choir of Clarecollege, Cambridge, hospitieren. Geprobt wurden Ch. H. Parrys Songs of Farewell sowie weitere dazu passende zeitgenössische Stücke für Chor und Saxophon. Das Probentempo war enorm, schließlich hatten die Sänger*innen nur eineinhalb Tage Zeit, das Programm konzertreif werden zu lassen. Sehr beeindruckend!

Abends konnten Interessierte noch spontan bei einer Generalprobe des BBC Symphony Orchestra zusammen mit dem BBC Choir für ein anderes Projekt zuschauen.

Studierende unterhalten sich mit Chorleiter
(Foto: privat)

Freitag: Westminster Abbey, Westminster Cathedral und Knabenchor

Während ein Teil der Gruppe bei English Breakfast die Ereignisse der Vortage verdaute, begab sich der andere Teil bereits morgens noch einmal auf Entdeckungstour in den Londoner Großstadtdschungel. Ein Spaziergang an der Themse, ein kurzer Abstecher ins Tate Modern oder der Buckingham Palast – die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs bot unzählige Möglichkeiten, die Lust auf mehr machten.

Nachdem der elfte Glockenschlag des Big Ben verklungen war, traf sich die gesamte Gruppe wieder für eine Besichtigung der Westminster Abbey. Die Kathedrale im Herzen Londons zählt zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Insel und ist dementsprechend frequentiert. Im Gegensatz zu den meisten Kirchen Deutschlands fällt hier eine Gebühr an und man muss sich auf Sicherheitskontrollen und lange Einlassschlangen einstellen. All diese Umstände waren allerdings schnell vergessen, sobald wir den gotischen Prachtbau zum ersten Mal betraten und vom Farbenspiel des Lichts, das durch die Buntglasfenster fiel, verzaubert wurden.
Westminster Abbey ist neben der liturgischen Nutzung und dem dort stattfinden Krönungszeremoniell hauptsächlich eine Grab- und Gedenkstätte. Hier gedenken die Engländer*innen den großen Persönlichkeiten des Landes. Besonders spannend waren für unsere Gruppe natürlich die letzten Ruhestätten großer Komponisten wie Elgar, Händel, Purcell, Vaughan Williams oder Howells.

Als wir die Abtei verließen, fiel dünner Regen – typisch London.

Nach einer kurzen Atempause trafen wir uns vor der katholischen Hauptkirche Englands, der Westminster Cathedral. Dort wurden wir von Christopher Too in Empfang genommen, der dort als Organ Scholar arbeitet. Christopher führte uns mit britischer Noblesse die große Henry-Willis-Orgel (1922/1996) vor. Danach gab es kurz die Gelegenheit, das Instrument auszuprobieren. Diese Orgel hat uns alle besonders beeindruckt, weil sie ein einmaliges Beispiel für eine typisch englisch-romantische Orgel ist: satte Grundstimmen, warme Zungenregister und farbige Solostimmen – ein Register schöner als das andere.

Im Anschluss an die Orgelprobe durften wir bei einer Probe des Knabenchores der Westminster Cathedral hospitieren. Der Alltag der Musikgruppen an der Kathedrale ist minutiös getaktet: Nach einer kurzen Proben mit den Männerstimmen des Chores kamen im Anschluss die Knaben dazu. Die Choristen, meist in feinster englischer Schuluniform gekleidet, standen während der ganzen Probe an kreisförmigen Notentafeln, die zu Chorleiter Simon Johnsen ausgerichtet sind. 

Schon nach kurzer Zeit waren wir beeindruckt von der sängerischen und musikalischen Qualität des Chores. Die zwischen 8 und 12 Jahre alten Knaben sangen anspruchsvollste Kirchenmusik von Gregorianik über polyphone Renaissance-Motetten bis hin zu einer harmonisch komplexen Poulenc-Messe, wobei sie die Linien stets rhythmisch präzise und mit einer Selbstverständlichkeit vortrugen, als wären es triviale Kinderlieder. Es herrschte eine große Ruhe und Disziplin während der Probe – eine Atmosphäre, die uns faszinierte aber gleichzeitig auch nachdenklich stimmte. Simon Johnsen beantwortete uns im Anschluss an die Probe noch Fragen zum Alltag der Chorknaben.

Kurz nach Probenende begann die Abendmesse, in welcher wir den Chor in Realsituation erleben konnten. Zu Beginn des Gottesdienstes hieß uns der Priester sogar freundlich willkommen. Spannend zu beobachtend war die Musikauswahl des Gottesdienstes, die klar im Zeichen des Cäcilianismus stand. So erklangen die gregorianischen Gesänge Proprien des Tages sowie Palestrina und Victoria, während der Gemeindegesang ausblieb.

Als letzten Programmpunkt des Tages und der Reise stand nun das Konzert der BBC Singers in der Cadogan Hall (ehemals ein Kirchenbau) an. Die Probenarbeit am Tag vorher hatte sich gelohnt: Der Chor überzeugte uns mit einer Mischung mittelalterlicher Musik von Hildegard von Bingen und Werken des 19. und 21. Jahrhunderts. Mit dem royalen Chorklang des einzigen Rundfunkensembles Englands ging unsere Reise angemessen zu Ende. So lovely!

Samstag: Rückreise

Nach einer eher kurzen Nacht starteten wir am Samstagmorgen pünktlich um 7.30 Uhr mit der Rückreise. Die Straßen waren frei und so manövrierte uns unser Busfahrer Mathias zügig und sicher an den Hafen nach Dover, wo wir, dank des großzügig angesetzten Puffers und ausbleibender Passkontrollen, bereits um 10 Uhr die Fähre nach Dünkirchen nehmen konnten. Zur Freude aller, denn dies war zwei Stunden früher als geplant.

Auf dem europäischen Festland angekommen fuhren wir mit nur wenigen Zwischenstopps weiter. Mathias gab hin und wieder eine Geschichte oder einen Witz zum Besten oder machte uns auf eine Sehenswürdigkeit aufmerksam. Wir nutzten die Busfahrt zum Ausruhen und Austauschen über die vergangenen Tage. 

Kurz vor Siegburg nahm Mathias das Mikro wieder in die Hand und dankte uns allen mit herzlichen Worten für die angenehme Fahrt. Wir bedankten uns ebenfalls mit starkem Applaus und, einer Musikhochschulgruppe angemessen, mit einem gesungenen Ständchen: „Matze, ich muss dich lassen, lass fahr'n in deinen Straßen …” (frei nach „Innsbruck, ich muss dich lassen”). Mathias und Diana verließen uns auf der folgenden Raststätte und ein anderer Busfahrer fuhr uns sicher nach Frankfurt zurück, wo wir gegen halb neun ankamen.

Müde, aber glücklich, zufrieden und mit sehr vielen neuen Eindrücken machten wir uns individuell auf die letzten Meter des Heimwegs.

Gruppenfoto in Oxfort
Ein nicht ganz vollständiges Gruppenfoto in Oxford(Foto: privat)

Danke!

Wir danken allen, die diese Reise möglich gemacht haben! Den vielen freundlichen und zugewandten Musiker*innen in England, unseren Professoren für die Planung und natürlich den Personen, die die Reise finanziell unterstützt und damit erst möglich gemacht haben: Der QSL-Kommission („Qualitätssicherung in der Lehre”) der Hochschule für die Genehmigung des Antrags, dem Fachbereich und einem privaten Spender. Herzlichen Dank, es war eine wunderbare Woche!

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